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Das Problemlösungsproblem mit den Daten, die Schweiz öffnet sich vorsichtig

 

Allein diese Daten sind für die Bürger eine Goldmine. Aber trotz der nachvollziehbaren Begeisterung für Open Data blieb die Eidgenossenschaft lange taub für diese digitale Revolution. Heute sendet sie vorsichtige Zeichen der Öffnung. Seit Juli 2006 sichert das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) den Menschen in der Schweiz den Zugang zu allen Regierungsinformationen zu. Allerdings muss man sich erst einmal im Labyrinth der Bundesverwaltung zurechtfinden, um die Quellen zu bergen.

Seit 2011 kämpft eine Handvoll unbeugsamer Helvetier im Verein opendata.ch für mehr Öffnung, Mitwirkung, Transparenz vonseiten der Behörden und öffentlichen Verwaltungen, um den Wettstreit der Forscher und die Innovation der Unternehmen befeuern. „Was die Behörden machen, bleibt im Dunkeln“, bemerkte André Golliez, Präsident und Mitgründer von opendata.ch. „Würde man offener arbeiten, könnten die Menschen in der Schweiz das Räderwerk und die Mechanismen der Verwaltung besser verstehen. Sie würden dadurch stärker zu Akteuren in den Amtsstrukturen.“

Argumente, die von vielen Bundespolitikern vom Tisch gefegt werden. Warum? „Mit der direkten Demokratie gebe es schon genügend Möglichkeiten der Partizipation am politischen Prozess“, sagt André Golliez. Wir haben gesehen, wie Barack Obama ein Wahlkampfargument entwickelte, indem 390 000 Quellen öffentlicher Daten zugänglich machte. In Grossbritannien überzeugte Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web am CERN, zunächst Gordon Brown, anschliessend David Cameron davon, die Seite data.gov.uk ins Leben zu rufen. Tim Berners-Lee leitet heute mit anderen zusammen das Open Data Institute in London. Mit der Seite data.gouv.fr hat auch Frankreich nachgezogen.

Open Data bietet gigantische Möglichkeiten. Wie Antoine Logean erläutert, Mitgründer von opendata.ch: „Der frei verfügbare Zugang zu Daten in einem freien und wiederverwendbaren Format begünstigt Innovation ungemein. Jeder und jede kann sie in den verschiedensten Formen verwenden, neue Informationen hervorbringen und ihren Wert steigern.“ Man denke an die Initiativen von Datenjournalismus, wie ihn immer mehr Medien – etwa der Guardian, La Repubblica oder die New York Times – praktizieren. Alles Beispiele für journalistische Untersuchungen. Und ebenso ihrer Grenzen in der Schweiz. Wie verteilen Zürich und Genf jeden Franken Ihrer Steuern? Das wäre sicherlich interessant zu wissen, aber unmöglich herauszufinden.

Wer sich an eine solche Datenverfolgung heranwagt, stösst nicht nur auf politische Institutionen, die sich diametral gegenüberstehen, sondern auch auf völlig unterschiedliche Erhebungsarten. Ein Paradebeispiel, das die fehlende Standardisierung zwischen Kommunen, Kantonen und der Eidgenossenschaft illustriert. „Die Vereinheitlichung der Daten in allen vergleichbaren Bereichen ist entscheidend. Es gibt zwar weithin akzeptierte Standards, aber die sind noch nicht überall eingeführt worden“, konstatiert Armin Grossenbacher, ehemaliger Leiter der Sektion Diffusion und Amtspublikationen im Bundesamt für Statistik.

Christophe Koller, Senior Data Specialist, befürchtet, dass sich die Bürger „mit gesenktem Kopf in den Weiten der Statistik versteigen und ohne kritischen Geist alles Mögliche damit anstellen“. Er fügt hinzu: „Die Bewegung Open Data ist eine gute Sache, aber sie läuft in den Widerstand der korporatistischen Reaktionen vonseiten der Behörden.“ MétéoSuisse kommerzialisiert seine meteorologischen Daten. Das Bundesamt für Statistik wird bei seinen Untersuchungen und schweizweiten Erfassungen von der Eidgenossenschaft unterstützt. Diese Einrichtungen sehen in Open Data womöglich eine Konkurrenz.

Rédaction – Mehdi Atmani – Flypaper Media _ Illustration – Jérôme Viguet – Cartoonbase SÀRL

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch “Ein Einblick in 20 Jahre Innovation”. Softcom ist 20 Jahre alt geworden und hat sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung auseinandergesetzt, wie sie in den letzten Jahren erlebt wurde. Es ist aber vor allem auch eine zukunftsorientierte Auseinandersetzung, in der nicht nur die Chancen, sondern auch die Grenzen und Risiken thematisiert werden.

Dieses einmalige Buch würden wir Ihnen sehr gerne schenken.