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Open Data, Transparenz des Politischen

 

Unsere Reise ins Herz der Daten beginnt 2010. Damals klingeln zwei Kofferwörter besonders gern in den Ohren der Geschäftsführer und Staatschefs: Open Data und Big Data. Zwar versteht niemand, was sie bedeuten, aber wegen ihrer Verheissungen führt sie jeder im Munde. Open Data definiert die Daten der öffentlichen Verwaltung, Big Data spiegelt die digitalen Spuren wieder, die wir im Netz alle hinterlassen. Eine Goldmine von auf Servern schlummernden Informationen, die alle für das Gemeinwohl nutzbar machen wollen, insbesondere über Open Data.

Tatsächlich wird die Datensammlung und Datenanalyse öffentlicher Verwaltungen ein Hebel für mehr Transparenz in der Politik werden. Im Zuge dieser Emanzipation entstehen die Bewegungen Open Data. Als erster US-Präsident nutzt Barack Obama Open Data. 2012 verdankt er ihr seine Wiederwahl an der Spitze der grössten Weltmacht. Den ganzen Wahlkampf hindurch stützt sich Barack Obama auf die Arbeiten des Chefanalysten der Demokratischen Partei Dan Wagner. Seine Recherchen revolutionieren die Art und Weise, wie man zögernde Wähler anspricht.

Bis dahin hatten sich die Meinungsforscher auf Stichproben gestützt, die die Gesamtbevölkerung zu repräsentieren versuchten. Dank der Fortschrtitte bei den Computern, in der Statistik und in den Datenbanken wählt das Team von Wagner die Wähler der sogenannten Swing States durch die Kombination hunderter Variablen aus vergangenen Wahlkämpfen, Umfragen unzähliger Wahlhelfer und riesigen Datenmengen aus Kundenbeziehungen praktisch individuell aus – mit dem Ergebnis, dass die Computer mit nie dagewesener Präzision voraussagen, an welche Tür zu klopfen und welche Telefonnummer anzurufen sich lohnt, um eine unentschiedene Wählerin zu überzeugen. Nach seiner Wiederwahl hat Barack Obama die Verwaltung und Nutzung öffentlicher und personenbezogener Daten zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Agenda erhoben.

Auf Bundesebene ging die US-Regierung auf zweierlei Weise vor. Einerseits ermutigte sie die Bürger, ihre personenbezogenen Daten mithilfe der Initiative My Data in die eigenen Hände zu nehmen. Mit Smartphone-Apps lassen sich beispielsweise Gesundheitsdaten aus verschiedenen Quellen (Versicherungen, Ärzten, Department of Veterans Affairs, usw.) herunterladen, und sicher und vertraulich an Pflegedienstleister weitergeben. Eine ähnliche Initiative gibt es für Bildung. Andererseits wird eine beträchtliche Anzahl öffentlicher Daten auf dem Portal data.gov. einsehbar. „Transparenz, Partizipation, Zusammenarbeit“ lautet die Maxime des Open Government.

Ähnliches tut sich im selben Jahr in Frankreich. Im Mai 2012 erleben die Fernsehzuschauer ein nie dagewesenes Rededuell vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang mit. Auf ihren Bildschirmen liefern sich Nicolas Sarkozy und François Hollande eine Zahlenschlacht um die schwankenden Wählerstimmen: Einwanderung, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, erneuerbare Energien, Bildung… Das rhetorische Hin und Her dauert 2 Stunden, 44 Minuten und 24 Sekunden, in denen die beiden Kandidaten 137 statistische Belege anführen, also ungefähr alle 47 Sekunden eine Zahl. Jede dieser Zahlen hat der Journalist Nicolas Patte, der damals bei der mittlerweile eingestellten Online-Zeitung Owni arbeitete, einem Faktencheck unterzogen.

Mithilfe der öffentlichen Daten der französischen Regierung, des Nationalen Instituts für Statistik (Insee), des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) oder des Internationalen Währungsfonds konnten der Journalist und sein Team alle von den Präsidentschaftskandidaten genannten Statistiken überprüfen. Das Urteil: 55,5% Glaubwürdigkeit für Hollande gegen 46,5% für Sarkozy. Hollande gewinnt die Wahl. Willkommen im Zeitalter von Open Data, in dem man vor Augen geführt bekommt, dass unsere Verwaltungen permanent mit Daten über unseren Alltag jongliert: die Anzahl der Kindergärten pro Kommune, die Kriminalitätsrate, die Quadratmeterzahl von bebaubarem Land im Kanton Waadt, die Liste leerstehender Gebäude in Genf, die Anzahl der Krankenhausbetten in der Westschweiz.

Redaktion – Mehdi Atmani – Flypaper Media _ Illustration – Jérôme Viguet – Cartoonbase SÀRL

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch “Ein Einblick in 20 Jahre Innovation”. Softcom ist 20 Jahre alt geworden und hat sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung auseinandergesetzt, wie sie in den letzten Jahren erlebt wurde. Es ist aber vor allem auch eine zukunftsorientierte Auseinandersetzung, in der nicht nur die Chancen, sondern auch die Grenzen und Risiken thematisiert werden.

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