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Von der Blackbox zur Filterblase

 

Dieses Problem wird von Frank Pasquale, Professor für Rechtswissenschaften an University of Maryland, aufgeworfen. Er unterstreicht, dass es «unmöglich ist zu wissen, wie die Algorithmen von Google eingestellt sind, da sie unter dem Schutz des Geschäftsgeheimnis stehen. Über diesen Aspekt der Suchmaschinen hört man nichts.» Frank Pasquale zufolge schafft diese Lage neue Machtbeziehungen, aus denen herauszukommen unmöglich ist. Er präzisiert, dass wir in einer Blachbox-Gesellschaft lebten: «Mit Blackbox beschreibt man ein System, bei dem man weiss, welche Informationen hineingehen und welche herauskommen, aber absolut gar nichts über die Mechanismen und Transformationen, die dazwischen stattfinden, weil die innere Funktionsweise der Blackbox geheim bleibt.»

Frank Pasquale zufolge «illustrieren Google, Facebook und die anderen Tech-Giganten wunderbar das System Blackbox. Die Presse präsentiert sie als Vorzeigeunternehmen. Sie loben die positiven Aspekte dieser Firmen wie etwa die freie Zeiteinteilung, Tischfussball usw. Aber über ihre innere Funktionsweise sei überhaupt nichts bekannt. Mithilfe berüchtigter Anwälte wird alles geheimgehalten. Genau das ist eine Blackbox, aber es ist eben auch die Fähigkeit dieser Unternehmen die geringste Information über seine Mitarbeiter und User aufzuzeichnen – wie die Blackbox eines Flugzeugs.»

Einerseits bezeugen Google und die anderen Schwergewichte des Digitalen also Undurchdringlichkeit, arbeiten andererseits aber daran, uns Benutzer in eine Filterblase einzuschliessen. Der Amerikaner Eli Pariser, Internetaktivist und Mitbegründer der Online-NGO avaaz.org, führte als erster die Subjektivität der Algorithmen und ihre Knechtschaft unter ihre Herren Google, Facebook, Apple vor Augen. Eli Pariser erklärt, dass Googles Algorithmen die Suchergebnisse je nach Internetznutzer auf der Grundlage 57 verschiedener Kriterien auswählen: Alter, Geschlecht, geografischer Ort, Browser, Bildschirmauflösung, besuchte Seiten, Klickfrequenz, die Liste der Tastaturbefehle…

Diese Personalisierung dient dem Zweck, dass kommerzielle Partner ihre Werbung zielgenau auf uns ausrichten können, indem man uns immerzu Links einblendet, die unseren vorherigen Entscheidungen, unseren Meinungen, unseren Lebensformen entsprechen. Auf Facebook bestimmt der Algorithmus EdgeRank die Sichtbarkeit geteilter Seiten und Freunde auf jeder Timeline nach drei Kriterien: Affinität und Besuchsverhalten, die sich im Score des Like- und Teilen-Button ausdrücken; der Breite der Inhalte (Fotos, Videos, Frequenz); den Zeitpunkten. Wenn Sie also ein Anhänger von Donald Trump sind und einige ihrer Facebook-Freunde ebenso, dann bekommen Sie nur noch Inhalte zu lesen, die dem Ex-Präsidenten wohlgesinnt sind.

Eingeschlossen in die eigene Blase, erfreut sich der Internetnutzer also immerzu an Informationen, die mit seinen Überzeugungen konform gehen. Die Diktatur der Algorithmen wirft eine weitere – philosophische – Frage auf: Was bleibt von unserem freien Willen, wenn die Algorithmen nicht neutral sind, da sie politischen, kommerziellen, finanziellen oder militärischen Interessen dienen? Diese technische Ideologie, die den Menschen das Gewicht alltäglicher Entscheidungen abzunehmen versucht, kann das Vertrauen von Menschen in die Gesellschaft zerstören, weil wir programmierbar und manipulierbar werden. Im Moment gibt es noch Menschliches bei Facebook und Google. Aber der Chef heisst: Algorithmus.

Redaktion – Mehdi Atmani – Flypaper Media _ Illustration – Jérôme Viguet – Cartoonbase SÀRL

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch “Ein Einblick in 20 Jahre Innovation”. Softcom ist 20 Jahre alt geworden und hat sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung auseinandergesetzt, wie sie in den letzten Jahren erlebt wurde. Es ist aber vor allem auch eine zukunftsorientierte Auseinandersetzung, in der nicht nur die Chancen, sondern auch die Grenzen und Risiken thematisiert werden.

Dieses einmalige Buch würden wir Ihnen sehr gerne schenken.