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Die Herrschaft der künstlichen Intelligenz

 

Es bringt allerdings nichts, die künstliche Intelligenz in Bausch und Bogen zu verurteilen. Diese Technologie, die die menschliche Intelligenz zu simulieren imstande ist, brauchte ein Jahrzehnt, um sich durchzusetzen. Dank des maschinellen Lernens nimmt sie uns die Last repetitiver Arbeiten immer mehr ab. Das Besondere an diesem automatischen Lernen besteht ist die Fütterung der KI mit Daten. In diesem Bereich schafft sie ihre eigenen Regeln und gewinnt in unzähligen Sektoren wie etwa der Gesundheitsversorgung, der Finanzwelt und selbst der Kunst an Autonomie. Bis sie uns schliesslich ersetzt? Die Entwicklung der KI geht mit vielen Versprechungen einher. Aber ihre Zwecke wirft eine ganze Reihe von Fragen auf.

Bei jeder technischen Entwicklung nährt die Hypothese einer Machtübernahme durch die Maschine die Befürchtungen gegenüber der Innovation. Das gilt auch für die künstliche Intelligenz. Es handelt sich nicht um einen Putsch der Technik gegen unsere Lebensweise, sondern um eine Infragestellung und eine Anpassung. Denn die Innovation besitzt die Macht, uns – unsere Funktionsweisen und unseren Gewohnheiten – infragezustellen. Diese Zurückhaltung gegenüber Veränderung erklärt sich zum Teil daraus, dass die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung viel höher ist als die gesellschaftliche Fähigkeit zur Anpassung an Neues. Diese Diskrepanz lässt vor allem in der Arbeitswelt Befürchtungen entstehen.

Seit jeher wird die Ersetzung der Arbeitskraft durch die Maschine beschworen. Zuerst die Automatisierung, dann der Computer und nun die künstliche Intelligenz. Letztere hat übrigens in den Direktorien der Unternehmen ihren Platz gefunden. Wie bei Deep Knowledge Ventures (DKV), einer Firma aus Hongkong, die sich auf Risikokapital in Gesundheitssektoren spezialisiert hat. Am 13. Mai 2015 haben die Mitarbeiter eine gewaltige Überraschung erlebt. Sie haben die Identität des neuen Unternehmensvorstands entdeckt. Er heisst Vital.

Deep Knowledge Ventures hat ihn wegen seiner Fähigkeiten in der Strategieanalyse eingestellt, denn er durchforstet die nützlichen Unternehmensdaten und fasst sie zusammen wie niemand sonst: verfügbare Patente, Medikamententests, frühere Mittelbeschaffungen bei Firmen, in die man investieren möchte. Vital ist eine künstliche Intelligenz, die von dem aufstrebenden britischen Unternehmen Aging Analytics entwickelt wurde. Dieser äusserst leistungsfähige Algorithmus besitzt bei den Vorstandssitzungen von DKV ebenso eine Stimme wie die fünf anderen Vorstandsmitglieder. Bislang hat die Analysesoftware zwei strategische Investitionsentscheidungen getroffen. Seine Meinung zählt für die Geschäftsführer.

Die künstliche Intelligenz bildet sich in der Berufswelt heraus: in der Forschung, in der Kuration von Zeitungsartikeln, in der Berechnung der Kreditwürdigkeit von Kunden oder in der Bekämpfung von Betrug… Im Jahr 2016 hatten zunehmend mehr Menschen eine Software als Chef. In Europa ersetzt Quill (Feder) bereits Journalisten für das Verfassen von Kurzmeldungen, Berichten und Finanzabschlüssen. Die französische Tageszeitung Le Monde verwendet es etwa an Wahlabenden, um die Ergebnisse durchzusehen und zusammenzufassen. Unter der Zusicherung, dass keine Rechtschreibfehler auftreten.

In den USA hat Watson im Februar 2011 die Sensation geschafft. Die IBM-Software durchsucht allein mehr als 200 Millionen Webseiten in nur drei Sekunden. Selbst gegen versierte Spieler hat Watson live im Fernsehen bei Jeopardy gewonnen. IBM – die Entwicklung von Deep Blue, jenem Supercomputer, der 1997 den russischen Schachweltmeister Gary Kasparow schlug – möchte die Fähigkeiten von Watson der medizinischen Diagnostik zur Verfügung stellen. Die Software soll vor allem dafür verantwortlich sein, aus einer gigantischen Datenbank von Genomdaten Genmutationen eines Patienten aufzuspüren. Es ist also eine Tatsache: Kurz- oder mittelfristig werden diese intelligenten Roboter gewiss Arbeitnehmer und spezialisierte Funktionsträger ersetzen.

Redaktion – Mehdi Atmani – Flypaper Media _ Illustration – Jérôme Viguet – Cartoonbase SÀRL

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch “Ein Einblick in 20 Jahre Innovation”. Softcom ist 20 Jahre alt geworden und hat sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung auseinandergesetzt, wie sie in den letzten Jahren erlebt wurde. Es ist aber vor allem auch eine zukunftsorientierte Auseinandersetzung, in der nicht nur die Chancen, sondern auch die Grenzen und Risiken thematisiert werden.

Dieses einmalige Buch würden wir Ihnen sehr gerne schenken.